Brief der Mutter
an Martin Luther
Lieber Martin, Lieber Sohn
Dir wird erscheinen dieser Brief als Hohn,
weil ich so lange nicht geschrieben hab,
egal, ich schick ihn trotzdem ab.
Seit du fort bist, in all den langen Jahren
Hab ich von Dir so gut wie nichts erfahren.
Jetzt wo du hochberühmt und aller Welt bekannt
Bist du geworden Gegenstand
Der heikelsten Spekulation
Mein Sohn.
Dein Tun und Wirken ist in aller Munde
Und jeder Mund erteilt mir Kunde
Von deinen riesenhaften Taten
Martin, wie bist du bloß geraten.
Unlängst, beim Kochen zwischen Topf und Zwiebel
Las ich Dein´ übersetzte Bibel
Und fand darin so viel Geschichten
Gespickt mit sagenhaft Gerüchten
Die ich bis dato gar nicht kannte
Latein? Das spricht ja nur die Tante.
Ich schnibbelte grad die Schalotten,
da las ich,bang, von einigen Komplotten,
die unserem Herrn Jesus widerfuhren,
erfuhr also von all den Spuren,
die er hinterlassen hat;
Martin, da war ich richtig platt.
Jetzt bin ich gespannt wie ein Flitzebogen,
Ist das wirklich? Ist es gelogen ?
Jetzt will ich hören aus erster Hand
Wie die päpstliche Bulle Dich verbannt.
Du warst geächtet, ja gar vogelfrei
Und ich war nicht bei Dir, war nicht dabei.
Und hast Du das alles ausgeheckt
als Du auf der Wartburg Dich versteckt ?
Erzähl mir bitte wie´s gewesen
Als Du die 95 Thesen
Ans Wittenberger Kirchportal genagelt
Und damit dem Papst das Frühstück verhagelt,
oder in Worms als du dem Großen
Kaiser, den Kirchenfürsten vor den Kopf gestoßen !
Was hat Dich bloß für ein Teufel geritten
Als du da im Dom vor die Herren geschritten
Und sagtest mit den Worten eines Leanders
„Hier steh ich nun und kann nicht anders“.
Und dann bist du gar noch größer geworden
Hast gegründet einen eigenen Orden
Ach mehr noch, wurdest Fels der eigenen Kirche,
Kirche, Kirche Kirche ?
Darauf lässt sich nicht einmal ein Reim mehr machen
Martin, was machst du bloß für Sachen.
Du warst ein schüchternes, liebes Kind,
warst putzig und niedlich wie Kinder so sind
hast aber schon jedes Buch an dich gerissen
hast es studiert, richtig verbissen
Und Widerworte gabst du dem Vater
Da warst du erst acht und was dann tat er
Er schlug dich derart windelweich
Dass mir mein Mutterherz wurde bleich.
Doch nutzt es auch bei Dir recht wenig
Du wolltest dienen nur dem König
der Welt
Und Du wurdest ein gar zu trauriger Held:
Als später der Blitz dich beinah getroffen
Warst du vom Glauben noch mehr besoffen.
Was hast Du in Klosterzellen gelitten
Was hast Du für seltsame Wege beschritten.
Erst sorgst Du mit Deinem Tun, mit Deinen Schriften
Dafür das die Bauern vom Glauben wegdriften
Dann machst Du Dich stark für des Kaisers Soldaten
Die die Bauern zurück ins Mittelalter traten
Ach Martin, mein Guter
Sprich zu Deiner Mutter
Und sag mir was Dich da trieb
Martin, ich hab Dich doch lieb
Eins will ich Dir aber noch sagen
Von all deinen Taten, deinem ganzen Betragen
Ist eine Sach Dir besonders gut geraten
Der Ablaß, das Klimpern all der Dukaten
In den Krämerkästchen der Prälaten
Daß dieses Unrecht ein Ende hat
Da dank ich Dir für, eine fromme Tat.
Jetzt lebst Du vom Himmel ausgeloster
Friedlich in Deinem Schwarzen Kloster
Mit Katherina und Deinen Kindern.
Niemand konnte dich daran hindern
Die Welt von Grund auf den Kopf zu stellen
Du und Deine Glaubensgesellen.
Viel Unglück ist da im Land geschehen
Wenige haben dadurch Gott gesehen
Viele sind freier als sie waren
Man sieht es durch frommes und freches Gebaren.
Mächtige sind heut deine Freunde und Feinde
Und stetig wächst deine Glaubensgemeinde.
Viel ist geschehen und ich sag mir, was soll´s
Ich, Deine Mutter, bin auf dich stolz
Auch wenn´s mir hätt besser gefallen
Ließest Du die Korken friedlicher knallen,
Wärst nicht so streng und autoritär,
Martin, wo hast du das bloß her.
Was würde ich geben das zu wissen,
Warum du so herrisch hast werden müssen.
Wahrscheinlich ist es, wie´s immer ist
Gewalt ist der Standard, Friede Statist.
So bleib ich mein Leben lang doch die Mutter
Von meinem kleinen Martin Luther
Und sei du gewiss, dass ich täglich bete
Deine Mutter Margarethe.
P.s. melde Dich
in Bälde; ich !