Theater muss...

...wie Fußball sein

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Theater muß wie Fußball sein

theater muß wie fußball sein
so sprach der gute brecht
wie kann das geh´n, wie kann das sein
wie wird man dem gerecht ?


Ticki Tacki Fußball wäre dann Ticki Tacki Theater.
Man spielte sich die Worte auf der Bühne zu, passgenau zum nächsten Höhepunkt, zur nächsten Pointe, Steilvorlagen für den nächsten Text.
Angriffe abwehren hieße dann Fragen klären, undurchsichtige Facetten der Figur, der Handlung transparent und sichtbar machen.
Angriffe fahren hieße dem Publikum dann kaum einen anderen Weg lassen, als einzutauchen in das Geschehen, sich eine Figur auszusuchen, mit der gemeinsam erlebt werden will.
Das Umschaltspiel würde Lachen und Weinen anhand brillianter Aussprachen an das Publikum bringen. Die Zuschauer würden mitfiebern, die Spieler antreiben, teilhaben und mit ihrer Aufmerksamkeit das Ensemble anfeuern; sie würden die Taktik des Spiels durchschauen und sich über Pass- und Laufwege, Alleingänge, vollzogene und vollendete Kombinationen, über Außreißer, Tempowechsel, überraschende Wendungen, rasante Wortdribblings, über Bewegung im Spiel freuen und am nächsten Tag noch über Winkelzüge, Positionen, Abschlüsse, vertane Chancen und die Einstellung des Ensembles diskutieren – so wäre das.

Ein Versuch:
Guten Abend liebe Zuhörer zu unserer Direktübertragung aus dem Schillertheater.
Die Ränge sind prall gefüllt, die Ultras haben schon vor Spielbeginn die mitgebrachten Feuerzeuge sangesgewaltig entleert. Parkett, Rang und auch der Olymp bersten vor Spannung und Vorfreude.
Überall halten die Dauerkartenbesitzer ihre Programme in die Höhe und auch die Claqueure haben durch gezieltes Raunen, Räuspern und Murmeln ihre Bereitschaftz zu einem großen Abend bereits verkündet.
Das hochkarätige Ensemble ist bis in die Haarspitzen motiviert. Grad noch hat mir der MeisterRegisseur versichert, das die bestmögliche Vorbereitung der Spieler und Spielerinnen mit dem Abstecher nach Weimar letzten Sonntag einen würdigen Abschluß genommen hat. Standing Ovations am Sonntagabend im Nationaltheater geben davon ein beredtes Zeugnis.
Und überhaupt, seit Reginald Reihert die Intendanz übernommen hat und mit Peter Schwamm und Dounja Dünster zwei der renommiertesten Spielleiter der Republik wieder zurück nach Berlin geholt hat, ist das Haus, ebenso wie das Ensemble auf den Kopf gestellt. Bis in die kleinste Rolle hinein präsentieren sich die Mitglieder des Ensembles als zuverlässige Teamspieler, was sie hier und heute anhand der Neuinszenierung des Hamlet unter Beweis stellen wollen.
Allein schon die Aufstellung ist bahnbrechend. Hamlet ist mit nicht weniger als 15 Spielern und Spielerinnen besetzt und Ophelia wird durch den Männerchor der Opernsparte gegeben. Wir dürfen zurecht besonderes erwarten.
Da, jetzt nimmt der Souffleur seinen Platz in der Kabine an der Bühnenkante ein, der hat sich ja schon in Weimar als taktisch blitzsaubere Einwechslung erwiesen und außerdem darf man gespannt sein, wen Reihert heute alles als Joker auf der Bank hat. In der Vorbereitung glänzte z.B. Adrian Wettach mit einer astreinen Minettikopie und ließ damit den unlängst zum Münchener Prinz Regent Theater gewechselten Christoph Waltz nahezu vergessen. Wie gesagt, wir dürfen besonderes erwarten

Jetzt ist Bewegung hinter dem Vorhang auszumachen, die SpielerInnen nehmen ihre Positionen ein und gleich stellt sich die erste Frage:
wird sich der Vorhang heben, wird er sich öffnen, beidseitig, einseitig oder fällt er einfach zu Boden und bildet gleichsam den Untergrund für den Beginn des Spiels –
das Licht dimmt herab, die Helligkeit verglimmt, die Augen versagen ihren Dienst in dem Bemühen, dem Restlicht noch Inhalt zu entreißen. Jetzt nimmt die Dunkelheit uns alle ein, die dahinterliegende Stille ist spürbar und absolut eindrucksvoll. Noch ist nichts zu sehen, doch schon erklimmen die noch kaum hörbaren aber doch schon forschen Schritte Bernados und Franziskus akustisch prägnant das Podest.
Ist das nicht ein Leiser Lichtschimmer dort am Horizont ? Noch ist der Vorhang nicht gefallen – oder doch ? Was ist das, lautlos hat sich das Bühnenrund geöffnet, gänzlich unbemerkt von unserer Wahrnehmung hat sich in dem Nichts der lautlosen Dunkelheit das Schloss zu Helsingör auf der Bühne Gestalt verschafft, dessen Konturen jetzt in der aufkommenden Dämmerung wie in Zeitlupe zu erahnen sind – ein raffinierter Spielzug, ein durchsichtiger zwar, aber jetzt sind wir bereit für das Erscheinen des Geistes, jetzt glauben wir jedweder erdachten Erscheinungsform, jetzt ist die Anfangsphase des Spiels gewonnen.
Nein, was ist das,
aber... aber das darf doch nicht wahr sein – die Nebelmaschine röhrt ihr Zischen in die Dämmerung. Ja ja und schon quellen die ersten weißen Schwaden hinter dem fein ziselierten Mauerwerk der Pappmaschee Zinnen hervor – das ist eine Beleidigung der Theaterseele, ein derartiger Affront, daß dahinter nur eine gewollte Provokation zu vermuten ist. Was sonst könnte der Grund für solchen Dilettantismus sein – hörbarer Nebel, in einem solchen, nahezu großartigen Moment – soll das etwa ein Wink an Haus, Stadt und Land sein, die massiven Etatkürzungen der letzen 2 Jahre zu geißeln – nein, auch das wäre eine derart unbotmäßige Platitüde, die unverzeilich jedwede noch nachfolgende Extrordinarität, jeden noch so genialen Kunstgriff, jede noch so überragene Spielleistung zu Staub zerfallen ließe.
Nein, nein und nochmals nein, hier ist unser Bleiben nicht länger – das Spiel ist mehr als verloren,
das Spiel ist aus, aus aus.
Wir werden keine Sendesekunde mehr an diese verkorkste Inszenierung verschwenden – da gibt es selbst in der Provinz mehr und originelleres zu sehen. Ich verabschiede mich tief enttäuscht und ergebenst und gebe zurück ins Funkhaus.

(benötigt eine App für RSS Feeds, z.B. Follower, Feedly, Reeder …)