While we are working

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Auf dem Weg zu den ewigen Abgründen

oder While we were working – eine zwei Seiten Geschichte

Nachdem alle Kids die Halle verlassen haben, wir die Materialien abgehängt, eingepackt und im Bus verstaut, die Wintersachen angezogen (das Heizungsgebläse ist defekt), Zeit und Route gecheckt und den Motor angelassen haben, beginnen wir wieder zu arbeiten. Zuerst an dem Fahrplan für die kommenden Untersuchungen – Augen und Haut von Klaus sind nun seit 3 Tagen konstant gelb. Da ist was im Busch. Erst recht nach der Gewichtsabnahme der letzten Wochen.

Der ärztliche Notdienst, der sich das gestern Abend nach dem Workshop angeguckt hatte, hat keine Panik verbreitet aber auch keine Option ausgelassen, bis zum Schlimmsten. Das hat er dann auf die Einweisung in ein wohnortnahes Krankenhaus geschrieben, damit dann vor Ort auch nach dem Schlimmsten geforscht wird. Große, schwere Fragezeichen stehen da in der Fahrerkabine herum.

Dann geht es kurz zurück zu der Arbeit und den Kindern des Wochenendes. Insgesamt 14 Stunden mit 26 Kindern, mit manigfaltigen Angeboten für sie zum Ausprobieren der Bewegungen, dem Testen ihrer Entwicklungsfähigkeit und dem individuellen Umgang der Kids mit den Herausforderungen der Gerätschaften und koordinativen Challenges - da gibt es schon einiges zu sagen. Das meiste ist durch die Arbeit und die Erfahrung der letzten 30 Jahre zwar gar nicht mehr zwingend zu formulieren – es liegt auf der Hand.

Dennoch gibt es jede Menge Anmerkungen: u.a.

zu Leas Einsatz und ihrer Konstanz im Arbeiten auf der Kugel, auf dem Waveboard, am Tuch – wie sie sich peu a peu im Laufe des Machens und der beiden Tage aufgerichtet hat, wie ihr Gang sich von bodenmalträtierend zu etwas wesentlich Neutralerem und Aufrechterem veränderte,

zu Joanas Suche nach dem Ruhepunkt im Körper beim Laufen und Stehen auf dem Drahtseil und ihrer Ausdauer und Verständigkeit, die kleinen Aha-Momente in der Arbeit, die sie immer wieder zum Weiterarbeiten genutzt und die sie schließlich zum Erfolg geführt haben,

zu Simons Jongliererfolgen und dem Einbinden von einem kleinen Trick in den Dreier, der ihm am Ende fraglos gelang, den er aber in dem Moment, wo er (wegen dem coronabedingten Auslassen der Abschlußpräsentation) gefilmt wurde, weder auf der Kugel stehend, noch auf dem Boden in seine Performance eingebaut hatte und die daran anschließende Frage dazu – warum ? War es Mutlosigkeit ? Die Angst vor dem Misslingen ? Die Gewissheit in uns, daß er bei einer live-Präsentation ganz anders reagiert, den Trick gezeigt hätte -?

Und die Frage nach der Andersartigkeit der Videoaufnahme im Gegensatz zum direkten Gegenüber Publikum läßt unser Gespräch (das von dem ungefilterten Dieselgeräusch des historischen Fahrzeugs mit dem wir uns über die nächtlicher werdende Autobahn schieben, zu einem "Geruf" mutiert) in eines der nächsten Arbeitfelder driften -

Die Absage zu dem großen, mehrere hunderttausend Euro schweren Projekt - das zwischen Bewegungs- und Begegnungsangeboten vor Ort, zwischen künstlerischem und sozialem Vermittlungsfeld, zwischen analoger und digitaler Entwicklung und Präsentation und durch die Weiterbildung für Artistinnen und Fachkräften der sozialen Arbeit, die WiederZusammenführung von in den letzten 15 Jahren auseinanderdividierten Sparten, Tür und Tor für eine gelungene Quartiersarbeit öffnen und den Coronaeinbußen bei unbewegten und unbegegneten Kindern und Jugendlichen Abhilfe schaffen sollte - an dem wir erst ein halbes Jahr gearbeitet haben, um es zur Antragsreife zu entwickeln und dann noch einmal ein halbes Jahr, um der Verzögerung seitens des Ministeriums begegnen zu können, ist halt erst drei Wochen her.

Die Frage nach dem Warum der Ablehnung (nach den vielen positiven Rückmeldungen und Besprechungen) ist eben auch noch nicht geklärt. Die Andersartigkeit des Projektes steht da im Raum und ob hier eine der Ursachen für die Verzögerung und hernach die Absage zu finden ist oder waren es anderweitige Vorbehalte gegen die Inhalte oder die Ausrichtung unseres Partnervereins aus der sozialen Arbeit oder der Schlunz oder die Unwissenheit in den Amtsstuben oder oder oder ? Und egal warum: was kann denn nun, da dieser Vorgang längst nicht die erste, gleichlautende Erfahrung in diesem Bereich ist, jetzt getan werden - welche Öffentlichkeit kann sich dafür interessieren, welche Stelle in der Zivilgesellschaft könnte dafür zuständig sein, welche Möglichkeiten der Vernetzung mit anderen, ähnlich merkwürdig versandeten Projekten und Prozessen gibt es überhaupt ? Da uns außer Transparecy International erstmal nichts weiteres einfällt und wir auch hier nicht wüssten, wie wir die erfahrene Schieflage mit den vorhandenen, eher informellen Rückmeldungen und Kommunikationsbelegen überhaupt nachvollziehbar, geschweige denn rechtlich rein, erklären könnten, leiten wir unser Arbeitsgespräch weiter in eine andere Richtung Die Neustarthilfe 2022, das take care/that/part/... Programm, die Flausen 22, die Neuauflage der Stipendumförderung in 22, interkulturell, quartiersgebunden, interaktiv – all die Förderprogramme, produktionsgebunden, rechercheorientiert, zielgruppenbedingt, als Coronahilfe aufgelegt oder in coronaüberwindender Absicht weitergeführt, stehen ja wieder auf dem Plan, nachdem das mit der festangestellten halben Stelle in unserem eigenen Projekt so jammerkläglich endete. Und da geht es eben nicht nur darum das richtige Programm zu finden und darin unterzukommen, es geht dann ja eben gerade darum die künstlerischen Inhalte zu finden, antragsgerecht zu beschreiben und die für die Umsetzung notwendigen MitstreiterInnen, Materialien, Orte, deren Bereitstellung und Finanzierung im Vorfeld abzusichern und dann darauf zu warten, ob dem Antrag denn auch stattgegeben wird. Da bleibt dann eigentlich nur die Frage nach dem inneren Motor und der Leidenschaftlichkeit (im wahrsten Sinne des ersten Teiles des Wortes) und welche Inhalte dazu angetan sind, welche Triggerpunkte für uns die Kraft geben, sich dem wieder und wieder (entgegen) zu stellen.

Inzwischen haben wir den Rasthof Hösel erreicht und fahren emotional so langsam die Landeklappen aus, zumal wir unsere jüngste Kollegin noch pünktlich zum Bahnhof bringen müssen. Ihr steht noch eine weitere 2 Stündige Zugfahrt bevor, die sie diesmal zum Glück nicht aus eigener Tasche bezahlen muß. So beenden wir unsere Besprech- äh "Berufung" vorzeitig und geben uns für die letzten 20 Minuten dem Röhren des Motors und dem Blinken und Blitzen der uns überholenden und entgegenkommenden Lichterketten hin. Und morgen geht Klaus ins Krankenhaus.

Oder in etwas anderer Form

Kurz davor in den Bergen

Den Blick ins Tal gerichtet,

den Berg im Rücken,

an Fels gelehnt,

die Sonne im Gesicht.

Der Schnee reflektiert das gleißende Hell weiß brennt es auf der Haut, die Gedanken strömen der Weite entgegen, Gefühle tropfen hinab und schmelzen Löcher in den Schnee.

Das Bild auf der Netzhaut verblasst

hinter den Bildern,

die aus der Tiefe hervordrängen.

Vergangenes mischt sich

mit Zukünftigem

und wird von der Gegenwart überholt.

Das Sonnenlicht verdämmert

in der heraufziehenden Gewissheit.

Die Sonne hat Kraft, noch vertreibt ihre Wärme die klammkriechende Kälte, die weiter von dem Augenblick ignoriert werden will. Der gelbe Stich auf dem Weiß der Fläche wächst nimmt die Farbe an, die sich weiter auf der ins Tal fließenden Weite verbreitet.

Der Sonnenschein vertieft das Blau

an den Rändern,

das schneeleuchtende Gelb auf dem

Abhang beginnt zu glühen,

verdunkelt sich wie die Gedanken,

die weiter kreisen,

um den Herd,

der alles andere mit sich reißen will.

Nein, die kaltstarren Beine wollen nicht bleiben, stemmen sich gegen die drückende Schwere. Noch ehe das Licht den Tag verläßt tragen die Beine ihn zurück in die Wärme.

Anmerkung: drei wochen nach der ersten geschichte zwei tage nach dem sonnenuntergang ist Klaus gestorben.

(benötigt eine App für RSS Feeds, z.B. Follower, Feedly, Reeder …)