Gebacken

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Randvoll. Sie war randvoll mit Ideen, Gedanken, Vorschlägen und Konzepten. Das Meeting hatte eine Lawine von Aufträgen hinterlassen. Einerseits endlich – und wunderbar, denn damit war sie drin im Team. Andererseits katastrophal. Denn erstens konnte sie jetzt das Wochenende knicken und Tom mußte die Kinder alleine bespaßen und am Sonntag für die ungeliebte Schule vorbereiten.

Und zweitens beschlich sie das Gefühl, daß sie einen zu hohen Preis für den Einstieg in die Liga der Auserwählten zu zahlen hatte. Aber so war das nunmal in diesen hierarchisch strukturierten Unternehmen, erst recht wenn sie den Betonköpfen in den Behörden zuarbeiteten. Voller Energie und Elan aber auch leicht angespannt, (oder doch schon leicht gehetzt ?) eilte sie durch die Flure der alten Lohnhalle, um sich in ihrem Büro einen Überblick über die anstehenden Aufgaben zu machen und erste Gespräche am Telefon anzusetzen. Bevor sie Tom die "frohe Botschaft" überbringen konnte brauchte sie ein paar konkrete Ergebnisse an ihrer Seite.

Als sie die kleine Teeküche passierte, in der auch zwei VintageKaffeehaustische Platz fanden, wurde sie von einem süßzimtenen Geruch überrascht. Nach zwei, zögerlicher werdenden Schritten hielt sie inne und dachte unwillkürlich an Omas Apfelstrudel. Immer wenn sie früher Oma Hunsrück in dem kleinen Luftkurort besuchten gab es zur Begrüßung ihren speziellen Apfelstrudel mit geschlagener, übermäßig gezuckerter Sahne. Und immer roch Omas Küche, in der sie nach dem heiter verplauderten Ankommen saßen und weiter klönten und den Kuchen lobten und genossen, immer roch die Küche noch lange nach diesem gemütlichen Akt des Backens. Der Ofen stand immer offen, um der Restwärme ihre Arbeit am Zimmerklima zu ermöglichen. Gleichzeitig stimulierte die Wärme wohl auch die Riechschleimhaut am oberen Ende der Nasenhöhle und der wohlig warme Apfelstrudelgewürzmischmasch wurde von den 30 Millionen Nervenzellen, die sich auf dem 5 cm2 großen Organ tummeln, in Sekundenbruchteilen rezeptiert, als Omas Apfelstrudel erkannt und lösten damit ein Wohlbefinden aus, das mindestens den ganzen Abend anhielt. Oma Hunsrücks Apfelstrudel war Entspannung pur.

Während ihr jetzt das Wasser im Mund zusammenlief und sich der Geschmack von Omas Apfelstrudel schon auf die Zunge legte, machte sie kehrt und warf einen vorsichtigen Blick in den kleinen Raum. Da saß Sybille bei einer Tasse Tee, vor sich einen Teller mit zwei Stückchen Apfelstrudel. Sybille war ein Urgestein der Firma. Sie ging nächste Woche in Rente und war schon seit ein paar Monaten an keinen direkten Projekten mehr beteiligt.

"Hallo Uschi", sagte sie als sie den Kopf mit der Kurzhaarfrisur hereinspähen sah, "setz dich. Greif zu. Die paar Minuten werden dich schon nicht aus der Bahn werfen." Und als Uschi sich langsam an den Tisch herantastete, fuhr sie fort: "Weißt du, vor 3 Monaten habe ich den Arbeitskreis verlassen, der dich gerade so fordert. Wenn du willst werde ich dir das ein oder andere dazu erzählen." Aus den Paar Minuten wurden dann 2 apfelstrudelzimtgeschwängerte, unglaublich aufschlußreiche Stunden. Dafür aber war zum Einen das Wochenende gerettet und Zweitens war dies der Anfang einer satt gebackenen Verbindung zwischen Westerwald und Hunsrück.

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